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Erfahrungsbericht

Jialing Gespann auf Testfahrt.
Eigentlich war es reine Neugier, die mich ins Motorwerk nach Venlo trieb. Als Gespannhändler sollte man ja über alle Neuheiten auf dem Gespannmarkt Bescheid wissen.
Von Marjoleen und Bart Sanders wurde ich sehr freudlich empfangen, bei Kaffee und Kuchen wurde mir alles wissenswerte über Jialing berichtet. Etwas voreingenommen ging es dann zur Probefahrt.
Die alten „Chinesen" Donghai und Chang Jiang kannte ich von früher. 1995 war ich selber schon mal in China, deswegen waren mir Land und Leute nicht unbekannt. Auch wie dort gearbeitet wird oder wurde war mir klar. Aber mit der Jialing war das auf einmal alles anders. Schon die Optik des Motorrads ist modern. Der Motor startet perfekt auf Knopfdruck ohne Schock oder so. Der Motor kennt bei stabilen Drehzahlen keine Unruhe, bereitwillig nimmt er zügig Gas an. Die Armaturen von VDO zeigen schön übersichtlich Drehzahl, Geschwindigkeit und die Gangwahl an. Alles was man so braucht ist vorhanden. Als erstes mal eine Bremsprobe. Zack und schon steht das Gespann perfekt, besser geht’s nicht. Alle 3 Räder haben eine Scheibenbremse, wobei am Seitenwagenrad
2 Bremszangen angebracht sind. Einer arbeitet mit der Vorderbremse mit, der andere ist mit der Fußbremse und dem Hinterrad verbunden. Soweit so gut. Perfekt Alltagstauglich.
Schon auf den ersten Metern sind alle Lenkbewegungen dezent und leichtgängig. Die Kupplung ist auch für zarte Damenhände brauchbar. Die Gänge rasten locker und geräuschlos ein. Das Gespann hat auch einen Rückwärtsgang, der sich genauso ohne kratzen weich schalten lässt. Der Sitz ist gut gepolstert, der Kniewinkel passt auch noch für Leute mit über 180 cm Körpergröße.
Ist kleiner etwa feiner?
Der Motor ein 1-Zylinder mit 590 ccm und 28,5 kW (39 PS). 50Nm bei 4000 U/min. Entwickelt bei AVL in Graz (Österreich) und abgasmäßig hat er beste Werte, dank der Einspritztechnik aus dem Hause Bosch. Auch in China greift man nach westlichen Markennamen, denn hinter diesen Namen steckt auch Qualität, Das kleine aber perfekt alltagstaugliche Triebwerk macht richtig warm ums Herz. Durch die kurze Übersetzung schiebt sich das Gespann mit gleichmässigem Schub vorwärts. Nach jeder Kurve geht es etwas frecher zur Sache. Da spielt jetzt auch das mitgelenkte Beiwagenrad seine Vorteile aus. Das gut abgestimmte Fahrwerk wird zusätzlich mit einem Drehstab / Stabilisator kräftig unterstützt. Der Stabi wirkt unerwünschtem Auf- und Abneigen bei Kurvenfahrten entgegen.
Der kurze Radstand verschafft auch enige Vorteile. Mit 40 Jahren Gespannerfahrung war ich schon stark beeindruckt, was da an innovativer Technik aus dem Reich der Mitte geliefert wurde. Meine Begeisterung kannte fast keine Grenzen mehr. Das ist echt mal was neues.
Trotz sofortiger Bestellung brauchte es einige Monate bis ich meine eigene Jialing bekam. Es taucht sofort die Frage auf, wie verhält es sich mit den Ersatzteilen? Die liegen zur Zeit noch in Holland, Lieferzeit 1 – 2 Tage. In der Zwischenzeit wurden alle Infos über Jialing gesammelt. Typische Kinderkrankheiten kann es nicht geben, denn seit 2006 sind diese Gespanne beim Militär und der Polizei eingesetzt und haben die bisherigen Maschinen von Chang Jiang schon fast alle verdrängt. Bald sind es ca. 15.000 Jialing Gespanne die dort schon im Einsatz sind. Das Jialing-Werk hat Tradition. 100 Jahre Maschinenbau in einer Stadt mit 30 Millionen Einwohnern. Auch Honda, BMW und einige andere lassen in Jialing fertigen.
Es wurde mittlerweile August bis die erste Jialing-Lieferung angekommen ist. Alle blickten auf die riesengroße Pappschachtel. Fast fertig zusammengebaut auf einem stabilen Eisenrahmen, so stand das erste schwarze Jialing-Gespann in ganz Europa vor uns. Nur das Vorderrad, die Batterie und die Spiegel mussten noch angebaut werden. Der erste Startversuch war etwas unwillig, dann die ersten Routinechecks, Öl, Wasser, Luft und schon war unser Werkstattchef damit auf unserer kleinen Hausteststrecke verschwunden. Sein erster Kommentar: Das Ding fährt sich gut und zieht auch kräftig durch. Meine Sorgen über Einfahrgeschwindigkeit und Drehzahlen teilte er nicht, womit er recht hatte, durch die langjährige Erfahrung (über 20 Jahre KFZ-Meister).
Innerhalb 4 Wochen wurden jetzt ca. 3000 km gefahren. Überall wo ich damit auftauchte, gab es auch einige Testfahrer mit Seitenwagenerfahrung, die gerne bereit waren einige Runden mit der Jialing zu drehen. Zu meiner größten Freude waren alle positiv überrascht und sehr beeindruckt. Das Kurvenfahren machte allen am meissten Spaß.
Unterwegs war ich mit dem Gespann: in Ybbsitz zum größten Gespanntreffen in Österreich.
Bei einigen MOHO-Hotels wie Iselsberger Sepp in Osttirol und Schmid Werner in Obertauern, alles Wirtsleute mit Gespannerfahrung. In Italien auf dem Gespanntreffen der A.M.F in Remanzacco, seit über 20 Jahren verkaufen wir auch Gespanne nach Italien und haben da einen durchaus intressierten Kundenkreis. Nur manchmal tauchte die Frage auf, ob es auch eine Maschine mit einem stärkeren Motor gibt. Nein den gibt es zur Zeit nicht.
Eine Woche war ich nur in den Bergen unterwegs in Begleitung meiner Fau im Seitenwagen und mit viel Gepäck. Nicht überladen sondern nur „gut" beladen ging es in die Berge. Die Alpen sind von Niederbayern aus, einfach zu erreichen. Nach 250 km sind wir im Herzen von Osttirol, von dort aus gab es einige Tagesetappen Richtung Plöckenpass nach Italien und dort die Dolomiten rauf und runter. Viele der Passstraßen lagen sogar teilweise 2500 mtr. über dem Meeresspiegel. Lago die Sauris, Passo Pardoi, Passo die Sella, Grödner Joch usw. Alles Hochalpenstraßen und auch abseits auf Schotterpisten waren wir unterwegs. Abgesehen von diesem unvergeßlichen Erlebnis mit Einklang von Straße und Natur bei wahrlich schönstem Kaiserwetter von über 30° im Schatten, war das Fahrerlebnis auch traumhaft. Wie viele male ich rauf und runter schalten mußte habe ich nicht gezählt, aber jeder Schaltvorgang war butterweich und der Motor arbeitet geschmeidig und kraftvoll. Wer viel arbeitet muß auch viel trinken wird immer gesagt, aber da hat keiner an den modernen Einzylinder von Jialing gedacht. Bei jedem Tankstopp war ich immer wieder von der extremen Sparsamkeit überrascht. Zwischen 4,6 und 4,9 ltr. auf 100 km/h und das in dieser Hügelwelt, wo die Leistung immer voll abgerufen wurde.
Die Kraft reichte sogar aus, um andere Verkehrsteilnehmer zu überholen, Wohnmobile sowieso, langsame Klein- und Mittelklassewagen auch, denn die sind in den engen Kurven sehr langsam. Im Gegensatz zum Gespann mit kurzem Radstand und der Seitenwagenlenkung war ich in den Kurven wie mit einem Gokart unterwegs. Der Reifenverschleiß war trotz der rauhen Straßen auch im grünen Bereich. ca. 1 mm pro Tausend Kilometer am Hinterrad und 12 mm hat der etwas grobstollige flache typische Gespannreifen. Beim Vorder- und Seitenwagenrad fehlen bei jetzt 3000 km keine 2 mm.
Landschaftliche Abwechslung gab es dann in Slowenien, entlang der Socca und dort wieder auf die Berge rauf, über den Virsic-Pass zum Wurzen-Pass nach Österreich, immer quer durchs Land. Zuletzt führte unsere Testfahrt noch in die Tschechische Republik. Nach einigen kleinen Pausen am Moldau Stausee waren wir gestärkt für etwas wildere Straßen im Sumava (Böhmerwald), Sumpfwiesen und Waldstraßen waren nun angesagt. Dort wo normalerweise nur Forsttraktoren unterwegs sind, hatten auch wir fast keine Probleme. Das Gespann hat eine gute Bodenfreiheit, aber an einigen Stellen mussten wir trotzdem kräftig schieben. Am Grenzübergang Phillipsreut angelangt hatten wir lt. Tacho einen km-Stand von ca. 2700 km. Nun noch eine Strecke von 100 km und wir sind wieder glücklich und zufrieden zu Hause angekommen.
Das Jialing-Gespann hatte alle Aufgaben hervorragend gemeistert, es hat uns vollkommen überzeugt. Diese Maschine können wir bedenkenlos an unsere Kunden verkaufen und das wird auch gemacht. Die nächsten Gespanne sind schon bestellt.
Man hat Spass am Fahren und ist trotzdem ein bisschen ökologisch unterwegs…

Text und Bild : Löw Lois 09.2012. www.seitenwagen.cc